Du Chef
Ich bin ein Dutzer, schon immer, zumindest in mir drin. Ich arbeite in einem Großkonzern, da ist es zumindest in Deutschland bisher üblich sich zu siezen. Üblich heißt allerdings auch, dass sich da gerade viel verändert. Nicht nur die Krawatten sind weg, auch das „Sie“ verschwindet immer mehr, bisher jedoch nicht konsequent.
Aber gerade diese Umbruch Phasen fühlen sich immer ein bisschen an wie Ina Müllers „ein bischen dazwischen“, das Alte ist noch nicht weg das Neue nicht richtig da.
Als social media-Nutzerin dutze ich ohnehin alle Kontakte. Als Mitarbeiterin und auch als Kollegin und Chefin dutze ich alldiejenigen, bei denen es nicht total unangemessen erscheint, egal ob Praktikant oder Bereichsvorstand. Für mich passt das zu mir und zu einem Führungsstil, der auf Augenhöhe setzt. Geht dabei Respekt verloren? Das klassische Argument derjenigen, die sich beim konservativen „Sie“ wohler fühlen.
Zu diesem Thema gibt es eine lustige Geschichte meiner Omi, die in unserer Familie überhaupt viele unsterbliche Sprichworte geprägt hat. Meine Omi war bis ins hohe Alter total flott auf den Beinen unterwegs und versorgte gerne gebrechlichere Bekannte mit alledem, was die gerne hatten. Eine von denen war Fräulein Pfeiffer, die meine Omi seit ihrer Kindheit kannte. Fräulein Pfeiffer (85) rief dann regelmäßig bei „der Anni“ (78) an, um ihre heißgeliebten Hartmänner (Braunschweiger Würstchen) zu bestellen. Für die beiden war es über 70 Jahre ganz normal, dass die Ältere die Jüngere duzte und umgekehrt gesiezt wurde. Ja, das war wohl Respekt vor dem Alter J. Und meine Omi ist immer sofort losgerannt.
Für mich ist es eine Frage der Haltung: muss der Andere sich mein „du“ verdienen? Ist es eine Frage von Freundschaft oder Vertrautheit? Muss ein Praktikant besonders fleißig gewesen sein? Und hat es der Abteilungsleiterkollege dabei leichter? Wird derjenige, der mich duzen darf, automatisch seinen Respekt verlieren?
Ich finde ein mutiges Loslassen täte uns da in den Unternehmen gut. Die Unterschiede, die durch den Unterschied betont werden, sind nicht gut.
Neulich las ich einen interessanten Satz: in den Unternehmen muss man sich stärker auf die Welt der Gen - Y - Mitarbeiter einlassen, denn aus der heraus werden sehr bald alle Unternehmen geführt. Die Jungen in die Welt der Alten zu drängen, wird nicht funktionieren und nicht gut sein. Und ein „du“ ist doch dafür ein kleiner schmerzfreier erster Schritt?