sichtbar unsichtbar
Wie es im Leben so spielt, kommt plötzlich ein Thema um die Ecke und findet statt – in unterschiedlichen Kontexten, mit unterschiedlich handelnden Personen. Bei mir ist es gerade Sichtbarkeit / Unsichtbarkeit.
Was macht es mit mir, wenn ich total sichtbar bin; also auf der Bühne, vor einer Gruppe… Als „antrainierter Bühnenfrau“ ist mein liebster Platz immer noch auf dem Regiestuhl. Bühne ist gut, ich gerne davor. Veranstaltungen konzipieren, Stimmung modellieren, Menschen inszenieren – das kann ich, das mag ich – richtig gerne! Das alles mit dem Ziel des Menschenbewegens, denn meine tiefe Überzeugung ist, dass gut gemachte Veranstaltungen genau dazu beitragen.
Ich gehe auf die Bühne, wenn es der Sache dient, aber ich brauche es nicht. Auf der Bühne sein, Geschichten über meine Expertise erzählen, das habe ich gelernt, ich kriege das hin, sogar mit ziemlich gutem Feedback. Aber das ist diese spezielle Form der Aufmerksamkeit, die für mich anstrengend und aufreibend ist, außerhalb meiner Komfortzone. Immerhin – ich habe die Wahl und das ist wohl ein großer Luxus.
Was macht es mit mir, wenn ich in einer Gruppe einfach übersehen werde? Was macht es mit mir, wenn jemand – wahrscheinlich ohne jede Absicht – tut, als sei ich nicht da. Das ist auf alle Fälle für mich auch außerhalb der Komfortzone. Quatschi im Kopf plaudert wildes Zeug… wenn ich dem kleinen Kerl nicht aktiv Einhalt gebiete, dann schaukelt er sich hoch, besser gesagt runter. Also ganz im Sinne von mindful self-leadership (gibt es diesen Begriff überhaupt?): Unwohlsein wahrnehmen, atmen – lächeln – innehalten und den negativen Gedanken aktiv beiseiteschieben.
Und dann habe ich mich gefragt, wie es wohl ganz vielen Menschen geht, die diesen Unterschied gar nicht kennen – Sichtbarkeit / Unsichtbarkeit - weil sie mit dem, was sie tun, einfach gar nicht gesehen werden. Die werden im besten Fall wahrgenommen, wenn sie gar nicht da sein, also fehlen, bzw. einen Fehler gemacht haben – bitter.
Eine meiner Rollen ist die der Kommunikatorin. Anders, als im „echten Journalismus“ wird in der betrieblichen Kommunikation ganz oft über Positives berichtet. Eine gute Nachricht ist eine gute Nachricht. Wir berichten über Erfolge, tolle Projekte, Außergewöhnliches. So weit, so gut. Aber wie viele Menschen werden damit nicht gesehen? Ein Kollege machte mich neulich darauf aufmerksam, ich bin ihm dankbar.
Was macht es also mit einer großen Mehrheit, die in ihrem Job wenig oder gar nicht gesehen wird? Fehlt denen etwas? Fühlen die sich schlecht? Haben die auch einen Quatschi, der sich beschwert? Hoffentlich haben diese Menschen andere Menschen, für die sie einen Unterschied machen, ob Familie oder Freunde. Und im besten Fall für Unternehmen sind da auch Kollegen dabei. Ansonsten kann ich mir ungefähr vorstellen, wie weit es um Loyalität und Engagement bestellt ist. Wer wäre dann dafür verantwortlich?
In meinem Drüber-Nachdenken ist mir wieder deutlich geworden, wie sehr das Bedürfnis nach wahrgenommen-werden oft ignoriert wird. Aus operativer Hektik, Unachtsamkeit oder auch Dummheit, und für die kann es ja die unglaublichsten Gründe geben. Nicht jeder kann oder muss jeden sehen oder wahrnehmen, wir würden ja verrückt! Aber in jeder Beziehung, ob privat oder dienstlich, hat jeder das Recht und die gleichzeitige Pflicht so viel Mühe aufzubringen, dass niemand sich fühlt wie ein Möbelstück oder besser noch eine Glasscheibe.
Wer denkt, das sei eine Binsenweissheit, lebt in einer anderen Welt als ich. Es wäre aber auch zu billig, das nun alles bei den Führungskräften abzuladen. Hier kann nämlich jeder, jeder, jeder wirklich aktiv sein und sein Umfeld besser an-sehen!