Ja, ABER
Seit mir die Doppelbödigkeit dieser Wortkombination deutlich geworden ist, bin ich da sehr sensibel! So ist es ja leider nun mal… genau bei den eigenen Schwächen und Fehlern, also wenn man die bei anderen entdeckt, da ist das Urteil besonders hart. Bei mir geht es soweit, dass ich schon an der Intonation des Satzes höre, ob ein ABER kommt… und ich höre dann bis zum ABER manchmal nicht mehr richtig zu…
Ich gebe zu, ich war eine „Ja, ABER-Sagerin“, gerne und oft. Irgendwann, und es ist zum Glück schon ziemlich lange her, hat ein lieber Mensch in meinem Umfeld ein „da-war-es-wieder-Training“ gemacht. So lange, bis ich es wirklich verstanden hatte. Die erhellendste Situation war, als mein fünfjähriger Sohn, ein kommunikationsfreudiges Formulierungstalent, mich mit einem „Ja, obschon…“ angrinste. Offenbar hatte er sich etwas abgeschaut und auch unsere häusliche Diskussion mitbekommen. Das war für mich dann der finale Anlass ein kleines Selbstentwicklungsprojekt zu starten.
Neulich durfte ich das wirklich krass erfahren; ich saß ich in einem großen Workshop und es gab eine lange „Fishbowl-Diskussion“ (wenige Leute im kleinen Kreis diskutieren, der Rest im großen Kreis drum herum sitzend, hört zu). Es war eine so unglaubliche Ansammlung von „Ja, ABER-Statements“… ich saß fassungslos da und konnte es nicht glauben. Irgendwann stand jemand auf und kommentierte: „Alles, was vor dem ABER kam, das kann man ja vergessen. Sie relativieren jeden ihrer Sätze. Wann sagen sie endlich, was sie sagen wollen?“. Tatsächlich beinhaltete jede Aussage ein: finde ich grundsätzlich gaaanz toll, ABER … Was kommt denn nach dem ABER? Immer ein Zurücknehmen des zuerst Gesagten.
Ein „Ja, ABER“ ist doch einfach eine konfliktscheue Aussage. Ich finde etwas nicht gut, stimme nicht zu, ABER muss die klare Aussage ein bisschen weichspülen, damit sie nicht so hart ist?! So ein Quatsch, oder? Ich gebe zu, dass das früher wahrscheinlich auch mein Antrieb war… nicht so kritisch rüberkommen-wollen. Als norddeutsches Menschenkind sagt man mir immer wieder nach, dass ich schon sehr deutlich sei. Für meine schwäbischen Kollegen offenbar auch manchmal zu deutlich J.
Sind wir in unserem Kulturkreis da auch etwas verschult worden, und das gilt es natürlich auch zu bedenken: Jedem kritischen Feedback ein Positives vorausschicken, dann ist das Kritische leichter zu nehmen; das habe ich gelernt, wie viele andere sicher auch. Soweit zur Lehre…
Wenn wir in unserem Umfeld jedoch darauf achten, auch regelmäßig über das Gute, Schöne und Gelungene zu reden, dann ist es doch auch möglich, das Kritische klar zu adressieren – ohne „++ -- - Verschwurbelungen“?
Sagen, was ist! Das ist doch die beste und aufrichtigste Art des miteinander Redens. Sagen was ist, das kann ja auf unterschiedliche Weisen geschehen. Es sollte niemand für sich in Anspruch nehmen, einfach immer alles rauszuplautzen, sei es vielleicht auch seine eigene total wahrhaftige Wahrheit. Letztlich ist es immer nur eine Meinung, meine Meinung zu etwas, die jemand zum Ausdruck bringen möchte.
Wenn es gelingt, das „was zu sagen ist“ auf wertschätzende oder auch achtsame Art zu tun, dann wird jeder am besten damit zurechtkommen. Viel besser als mit viel „ja, ABER- Rumeierei“ -Nebelaussagen. Für mich gehört „Ja, ABER“ auf meine persönliche schwarze Liste und ich will weiterhin darauf achten, es aus meinem Sprachgebrauch konsequent zu verbannen. Wer nicht hören mag, was ich zu sagen habe, in klaren Worten, der hat meine Zuwendung auch nicht verdient.